Seit einigen Jahren geht der Trend wieder zurück zu einem natürlichen Laufstil. Nun mag man sich fragen, ob es denn einen unnatürlichen Laufstil gibt. Um die Antwort vorweg zu nehmen: Ja, gibt es – sonst würde man ja nicht über natürliches Laufen reden.

Das Unnatürliche an unserem Laufstil ist das Abrollen: Wir machen lange Schritte, kommen mit der Ferse auf, rollen über den Mittelfuß und stoßen uns mit dem Vorfuß ab. Um jetzt den natürlichen Laufstil gegenüber zu stellen, soll mal ein kleines Experiment helfen: Wir laufen einfach mal barfuß über den Rasen oder durchs Wohnzimmer. Was merken wir? Genau: Die gesamte Laufbewegung spielt sich auf dem Ballen – also vorne – ab. Wir steigern uns bei unserem Experiment: Wir zwingen uns, beim Barfußlaufen mit der Ferse aufzusetzen – zwei Schritte (einer links, einer rechts) genügen, um festzustellen, dass das eher unangenehm ist.

Dieser Laufstil ist ziemlich ineffizient: Der Fuß setzt weit vor dem Körperschwerpunkt auf – dadurch entsteht eine gewisse Bremswirkung; um dann den Körper vorwärts zu bewegen, muss der Körperschwerpunkt über den Fuß hinaus bewegt werden. Hierbei geht viel zu viel Energie verloren. Beim natürlichen Laufen ist das etwas anders: Der Fuß setzt fast unter dem Körperschwerpunkt auf. Dadurch muss kaum Energie fürs Vorwärtskommen aufgewendet werden – das macht den Laufstil wesentlich effizienter.

Aber warum laufen wir barfuß anders als mit Laufschuhen? Das liegt an den Schuhen: Deren Dämpfung und Sprengung „zwingen“ den Fuß auf die Ferse – und damit in die unnatürliche Abrollbewegung. Die Laufschuhindustrie hat also einen nicht unerheblichen Beitrag dazu geleistet, dass wir zu Fersenläufern geworden sind, indem sie immer neuere Technologien in die Schuhe gesteckt hat, mit denen der Aufprall auf der Ferse abgemildert wird.

Wenn wir uns nun mal professionelle Läufe ansehen, stellen wir fest, dass die ersten Plätze fast ausschließlich von Afrikanern (meistens aus Kenia oder Äthiopien) belegt werden. Das liegt (neben dem etwas anderen Muskelaufbau) auch am Laufstil: Die laufen einfach natürlich, und das von Kindesbeinen auf an (morgens zehn Kilometer in die Schule, abends zehn Kilometer nach Hause). Ich habe mal irgendwo einen Bericht von einem Sportfotografen gelesen, der erzählt hat, dass es ihm nie gelungen ist, ein Foto von Haile Gebrselassie zu machen, auf dem dieser mindestens einen Fuß auf dem Boden hat. Haile ist also über den Boden „geschwebt“. Etwas ähnliches habe ich auch neulich beim Alsterlauf gesehen: Ich bin ein paar Mal die Mönckebergstraße auf und ab gelaufen, um mich aufzuwärmen; irgendwann lief ein Afrikaner an mir vorbei – ich fand seinen Laufstil bewundernswert: Es sah so leichtfüßig aus, dass man glatt meinen könnte, er würde schweben…

Aber zurück zum natürlichen Laufen: Ich habe es selbst einmal versucht – es ist nicht weiter schwer, nur sehr ungewohnt für einen Fersenläufer. Wichtig ist, dass man nicht sofort komplett umsteigt: Die Belastung für die Vadenmuskulatur ist beim Vorfußlaufen ganz anders als beim Fersenlaufen. Es ist daher sinnvoll, beim Laufen ein paar Minuten umzustellen, um sich langsam an die Anforderungen zu gewöhnen.

Wer eine Einführung in die Thematik sucht, ist bei diesem Video gut bedient. Es ist zwar englisch, und der Sprecher hat einen furchtbaren (weil amerikanischen) Akzent, aber es wird als die beste Einführung zum Thema gehandelt:

Außerdem bietet es sich an, fürs Natural Running passende Laufschuhe zu tragen. Diese sollten eine möglichst kleine Sprengung und fast keine Dämpfung haben; außerdem sollte die Sohle möglichst flexibel sein – eigentlich ist die Sohle nur dazu da, den Fuß zu schützen. Der Schuh sollte also möglichst wenig in den Bewegungsablauf eingreifen.